Auf den Spuren der Stolpersteine um den Lietzensee
Im Schuljahr 2016/2017 recherchierten im Rahmen des Geschichtsunterrichts Schüler:innen der Klasse 9a zu den Stolpersteinen in der Nähe der Peter-Ustinov-Schule.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren Charlottenburg und Wilmersdorf die Bezirke Berlins mit dem höchsten Anteil jüdischer Bevölkerung. Unter der Gewaltherrschaft der Nazis wurden sie vertrieben, verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet.
Mit unserer Karte möchten wir die Erinnerung an die Menschen wachhalten.
Im Schuljahr 2023/2024 hat die AG "Homepage" den Stolpersteinrundgang für die Internetseite der Schule aufbereitet. Der Rundgang kann nun digital über QR-Codes mit dem eigenen Smartphone durchgeführt werden.
Karte
Stolpersteine
Vor zahlreichen Hauseingängen finden sich in den Gehwegen „Stolpersteine“. An ihrer Oberseite ist eine Messingplatte befestigt. Jeder Stein erinnert an Menschen, die im Nationalsozialismus (1933-1945) vertrieben oder ermordet wurden. In die Messingplatte sind Namen, Geburtsdaten und das Schicksal der einzelnen Personen eingraviert.
Das Projekt „Stolpersteine“ wurde 1992 in Köln von dem Künstler Gunter Demnig begonnen. In Deutschland wurden bereits mehr als 75.000 Stolpersteine verlegt. Mittlerweile gibt es sie in weiteren europäischen Ländern zum Gedenken. Viele Bewohner recherchieren das Schicksal der ehemaligen Nachbarn, und regelmäßig kommen neue Stolpersteine in den Straßen dazu.
Deportationen
Mit der Machtübernahme 1933 begannen die Nazis, den Juden durch zahlreiche Verbote das Leben immer schwerer zu machen. Viele verließen daraufhin Deutschland. Auf der Wannsee-Konferenz 1942 beschlossen die Nazis einen Plan zur Vernichtung der Juden. 1941 lebten noch ca. 66.000 Juden in Berlin.
Mehr als 35.000 wurden mit Zügen nach Osteuropa deportiert (= verschleppt) und in Konzentrationslagern (z.B. Auschwitz) ermordet. Insgesamt gab es aus Berlin 61 „Osttransporte“. Mit 123 „Alterstransporten“ wurden 15.122 Juden aus Berlin Altersheimen nach Theresienstadt gebracht. Viele der Züge fuhren vom Bahnhof Grunewald (Gleis 17 ) ab, wo sich heute ein Denkmal befindet.
Einige Juden wollten diesem Schicksal durch den Freitod (= Selbstmord) entgehen. Wenigen gelang es, zu fliehen oder unterzutauchen. Bei Kriegsende im Mai 1945 lebten nur noch etwa 7.000 Juden in Berlin.
Kuno-Fischer-Straße 22-26
Lange Zeit war die Fläche zwischen Kuno-Fischer-Straße und Trendelenburgstraße größtenteils unbebaut, wie man auf der Karte von 1931 erkennen kann. Im Berliner Adressbuch von 1939 sind die Grundstücke Nummer 24-26 als „Baustellen“ verzeichnet. 1992 fand ein Architekturwettbewerb zur Bebauung des Areals statt. Auf dem Gelände befanden sich bis dahin Kleingärten. Einige Obstbäume stehen noch heute auf dem Schulhof. 1999 wurde die Sporthalle an der Neuen Kantstraße fertiggestellt. 2004 wurde das Schulgebäude in der Kuno-Fischer-Straße eröffnet. Die Peter-Ustinov-Schule entstand aus der Zusammenlegung von zwei Realschulen. Die Namensgebung fand am 23. September 2005 statt. Sir Peter Ustinov (1921-2004) war Schauspieler und Autor, der auch durch seinen Einsatz für
Menschenrechte und die Bekämpfung von Armut große Bekanntheit erlangte. 2012 wurde der Erweiterungsbau der Schule an der Trendelenburgstraße fertiggestellt.
Die Häuser Kuno-Fischer-Straße Nr. 22 und 23, die auf der Karte von 1931 verzeichnet sind, stehen heute nicht mehr. An der Stelle von Haus Nr. 23 befindet sich heute ein Teil des Schulgebäudes. Dort, wo Haus Nr. 22 stand, befindet sich heute eine Toreinfahrt zu den Fahrradabstellplätzen und einem Parkplatz.
Nach dem „Jüdischen Adreßbuch für Groß-Berlin“ wohnten 1931 in Haus Nr. 22 die jüdischen Bewohner E. Goldstein, Amalie Lilienthal und Moses Trotino (Beruf Kaufmann). Das Gedenkbuch „Juden in Charlottenburg“ zählt Isidor Brenner (* 28.12.1863, Beruf Rentier) und Henriette Brenner (*15.08.1866, geb. Klein) als Bewohner der Kuno-Fischer-Straße 23 auf. Die Eheleute Brenner wurden am 15.9.1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert und anschließend weiter nach Treblinka, wo sie ermordet wurden. Für sie gibt es bisher keine Stolpersteine.
Kuno-Fischer-Platz
Erwin Barth (1880-1933), einer der bedeutendsten deutschen Gartenarchitekten seiner Zeit, gestaltete den Lietzenseepark. Als Teil davon entstand 1912/13 der Kuno-Fischer-Platz, eine terrassenförmige Gartenanlage mit zwei Ebenen. Kuno-Fischer (1824-1907) war ein Philosoph, der lange Zeit an der Universität Heidelberg tätig war. Er zählt als einer der populärsten Universitätslehrer seiner Zeit.
Der Platz wurde mit einer oberen und einer unteren Terrasse angelegt. Auf der unteren stand eine Faun-Statue. Der Faun ist der römische Gott der Natur und des Waldes. Die Waldgeister werden oft als Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock dargestellt.
1928-1930 wurde das Verwaltungsgebäude der Knappschafts-Berufsgenossenschaft mit der auffälligen rotbraunen Klinkerfassade errichtet. Dadurch veränderte sich auch die Gestaltung des Platzes. Die Informationstafel am Parkeingang zeigt zwei Fotos in den verschiedenen Baustadien. Die Steinskulptur steht heute an der Seite. Sie zeigt einen Faun, der einen Knaben das Flötenspiel lehrt.
Von 1950 bis 1953 befand sich in dem Haus Nr. 8 die Notaufnahmestelle für die Flüchtlinge aus der DDR, woran eine Gedenktafel am Haus erinnert.
Kuno-Fischer-Straße 17
Johanna Feiertag wurde am 16. Juli 1886 in Berlin geboren. Sie war Übersetzerin und Sprachlehrerin. In ihrer Wohnung in der Kuno-Fischer-Straße 17 gab sie Privatunterricht. Im Oktober 1941 wurde sie nach Lodz deportiert. Sie wurde mit einem Deportationszug von Gleis 17 im Bahnhof Grunewald zusammen mit 1.137 weiteren Menschen weggebracht. In der polnischen Stadt hatten die Nazis ein riesiges Ghetto (= Wohnviertel) für Juden errichten lassen und die Stadt nach einem deutschen Gerneral in Litzmannstadt umbenannt. Nach ca. sieben Monaten im Ghetto wurde Johanna Feiertag etwa 60 km nördlich in Chelmno (Kulmhof) ermordet. Sie starb mit 56 Jahren. Johanna Feiertag war unverheiratet und vermutlich kinderlos.
Kuno-Fischer-Straße 14
Richard Berndt war reisender Handelsvertreter für verschiedene Handwerksprodukte. Er führte in seinem Koffer Warenmuster mit, die er potentiellen Kunden anbot. Für seine Dienste im 1. Weltkrieg hatte er das „Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer“ erhalten. Viele Juden glaubten, diese Auszeichnung würde sie vor Verfolgung schützen, was sich jedoch später als Irrtum herausstellte.
Im Juni 1919 heirateten Richard und Margarete Berliner. Margarete hatte als Privatsekretärin in verschiedenen Firmen gearbeitet und war u.a. als Übersetzerin für Englisch und Französisch tätig. Nach der Hochzeit zog die Familie am 30. Juni 1919 in die gemeinsame Wohnung in der Kuno-Fischer-Straße 14. Am 14. Mai 1921 wurde ihre einzige Tochter Ruth Rose geboren.
In Deutschland wurde die Situation für die Familie immer schwieriger, z.B. durfte die Tochter keine öffentliche Schule mehr besuchen. 1938 verließ die Familie mit dem Schiff „Caribia“ das Land nach Guatemala, wo sie am 22. Oktober ankamen und ein neues Leben begannen.
Kuno-Fischer-Straße 15
Erich Danziger wurde 1889 in Schlesien geboren. Nach seinem Jurastudium wohnte er in Berlin. Um 1920 lernte er Edith Tichauer kennen, die ebenfalls aus Schlesien kam und jüdisch war. Nach einigen Monaten heirateten sie und bekamen die beiden Kinder Ellen (1922) und Hans (1923).
Spätestens ab 1929 lebte die Familie am Lietzensee in der Kuno-Fischer-Straße 15. Ellen und ihr kleiner Bruder Hans verlebten eine unbeschwerte Kindheit. Sie waren unzertrennlich, besonders bei den winterlichen Schlittschuhpartien auf dem zugefrorenen Lietzensee.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 nahm die Unterdrückung der Juden zu. Erich Danziger musste seine Anwaltskanzlei schließen. Im Mai 1933 wanderte die Familie nach Frankreich aus. In Paris entfremdeten sich die Eheleute zunehmend voneinander und sie trennten sich.
Erich Danziger wurde am 9.3.1943 im Konzentrationslager Majdanek ermordet. Hans wurde 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und leistete in der nahegelegenen Kohlemine Zwangsarbeit. 1945 kam er nach Bergen-Belsen, wo er verstarb. Edith und Ellen überlebten die Herrschaft der Nationalsozialisten.
Kuno-Fischer-Straße 16
Eberhardt Margulies wurde in der Ukraine geboren. Er studierte Medizin und wurde 1901 Assistenzarzt in Kolberg (Pommern), wo er am 26.12.1901 die Tochter seines Chefs Martha Behrend heiratete. Martha stammte gebürtig aus Kolberg. 1914 wurde ihre Tochter Eva geboren. Eberhart und Martha zogen 1920 nach Berlin. Ihre Wohnung befand sich in der Kuno-Fischer-Straße 16, wo sich vermutlich auch, wie damals üblich, die Arztpraxis befand. 1938 wurden beide verhaftet. Eberhard und Martha wurden 1942 mit dem „19. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Eberhard Margulies starb am 10. September 1942. Auf dem Totenschein vermerkten die Mediziner im Ghetto eine Lungenentzündung als Todesursache. Martha Margulies wurde am 21. Januar 1944 in Theresienstadt umgebracht. Die Tochter Eva überlebte, da sie als junges Mädchen nach England geflohen war.
Suarezstraße 30
Adolf Plessner wurde als Sohn einer Kaufmannsfamilie am 7. März 1886 in Berlin geboren. Seine Frau Hertha Austerlitz stammte aus Schlesien, wo sie am 19. Februar 1895 geboren wurde. Am 6. Oktober 1920 heirateten beide auf dem Standesamt in Wilmersdorf und gemeinsam bezogen sie eine Wohnung in der Suarezstraße 30. Mit dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 konnte jüdischen Mietern einfach gekündigt werden. Das Ehepaar musste in eine sogenannte „Judenwohnung“ in der Detmolder Straße 4 umziehen. Mit 997 weiteren jüdischen Menschen wurde Hertha und Adolf mit dem „29. Osttransport“ vom Güterbahnhof Moabit nach Auschwitz deportiert und in den Gaskammern ermordet. Das genaue Todesdatum ist unbekannt.
Suarezstraße 39
Olga Lewinski wurde am 5.8.1878 in Westpreußen geboren. In erster Ehe heiratete sie 1905 Salomon Marcus. Das Paar zog nach Berlin, wo Verwandte wohnten. Am 26.3.1910 wurde ihr Sohn Harry Marcus geboren. 1916 starb Salomon Marcus im 1. Weltkrieg.
Salomon Cohn wurde am 6.1.1884 in Lyck (Ostpreußen) geboren. Etwa 1906 zog er nach Berlin. Er war Soldat im 1. Weltkrieg und nach seiner Entlassung aus französischer Kriegsgefangenschaft zog er 1920 zu seiner Mutter in die Friedbergstraße 31. Er verdiente seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Kurzwaren auf Märkten in Charlottenburg.
1921 lernten sich Olga Marcus und Salomon Cohn kennen und heirateten kurz danach. 1934 zogen sie in die Parterrewohnung in der Suarezstraße 39, wo sie ein kleines Texil- und Trikotagengeschäft betrieben. 1939 trat ein Gewerbeverbot für Juden in Kraft, und das Ehepaar musste das Textilgeschäft aufgeben.
Salomon Cohn war später Zwangsarbeiter im „kriegswichtigen Einsatz“ und arbeitete ab 1940 bei der Gleisbaufirma Dudek in Spandau. Am 27.2.1943 wurde Salomon Cohn von der Gestapo (= Geheime Staatspolizei) von seinem Arbeitsplatz abgeholt und in eine Sammelstelle in der Levetzowstraße gebracht. Am 2.3.1943 wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er 1944 starb.
Olga Cohn konnte sich zunächst verstecken, wurde aber von der Gestapo gefasst und am 19.5.1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 18.5.1944 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau gebracht und dort ermordet.
Olgas Sohn Harry aus erster Ehe überlebte. Er kehrte nach Deutschland zurück und lebte bis zu seinem Tod 1986 in Bonn.
Anwohnerinitiative Friedbergstraße
2012 fand sich eine Anwohnerinitiative der Friedbergstraße zusammen, um dem Schicksal der ehemaligen jüdischen Bewohner nachzugehen. 2013 wurden durch die Initiative 19 Stolpersteine in der Friedbergstraße und 15 Steine in der Suarezstraße unter großer Beteiligung der Nachbarschaft verlegt. Im Internet wird an die ehemaligen jüdischen Bewohner gedacht und die recherchierten Informationen zu ihren Biographien sind auf dieser Seite abrufbar:
Friedbergstraße 41
Hermine Schwarz wurde am 2.11.1871 in Wien geboren. Über sie ist nur sehr wenig bekannt. Sie war ledig, wohnte zunächst in Berlin Hohenschönhausen und später in der Friedbergstraße 41. Am 13.1.1942 wurde Hermine in das Sammellager, das die Nazis in der Synagoge in der Levetzowstraße eingerichtet hatten, gebracht. Man stufte sie dort trotz ihres hohen Alters von 71 Jahren als „arbeitsfähig“ ein. Am selben Tag wurde sie mit dem „8. Osttransport“ von Gleis 17 am Bahnhof Grunewald in das Ghetto nach Riga deportiert. Dort starb sie.
Max Morris wohnte bei Hermine Schwarz zur Untermiete. Über ihn ist ebenfalls nur wenig bekannt. Max Morris wurde am 21.7.1872 in Rehden geboren. Es ist unklar, ob sein Geburtsort Rehden bei Hannover oder bei Graudenz in Westpreußen war. Es ist nicht mehr bekannt, warum er nach Berlin kam oder welchem Beruf er nachging. Max Morris wurde am 13.1.1942 in das Ghetto nach Riga deportiert und ermordet. Er befand sich im gleichen Zug wie seine Vermieterin Hermine Schwarz.
Friedbergstraße 47
Leopold Jacubowitz wurde am 8.11.1872 im westpreußischen Lautenburg geboren. Seine Ehefrau wurde als Käthe Richter am 23. Juni 1885 auch in Westpreußen in Filehne geboren. Das Ehepaar zog nach Berlin und lebte in der Friedbergstraße 47. Am 30.9.1940 wurden sie zu einem Umzug in eine „Judenwohnung“ in der Essener Straße 24 gezwungen, wo sie zur Untermiete wohnten. Leopold war von Beruf Kaufmann. Der Vermögenserklärung, die sie damals abgeben mussten, ist zu entnehmen, dass sie keinen großen Besitz hatten. Am 27.7.1942 wurde das Ehepaar mit dem „30. Alterstransport“ in das Ghetto nach Theresienstadt deportiert. Leopold kam am 21.3.1944 ums Leben. Das weitere Schicksal von Käthe ist unbekannt. Das Ehepaar Jacubowitz war vermutlich kinderlos.
Dernburgplatz
Der Platz in seiner heutigen Form entstand um 1912. Die Kaskade auf dem Platz wurde 1913 in Betrieb genommen. Mit Hilfe dieser Wassertreppe sollte sauerstoffhaltiges Wasser in den Lietzensee geleitet werden, um die Wasserqualität zu verbessern und die Algenblüte zu verringern.
Heute fällt auf der gegenüberliegenden Uferseite das Wohnhochhaus an der Neuen Kantstraße 21 ins Auge. Damals stand dort ein repräsentatives Wohnhaus aus der Gründerzeit. Die Informationstafel an der Seite des Platzes enthält ein Foto, das die frühere Uferbebauung zeigt.
Heinrich Dernburg (1829-1907) war Jurist und lehrte als Professor an der Berliner Universität. Er war jüdischer Herkunft, weshalb die Straße am 15.2.1936 von den Nationalsozialisten in Gustloffstraße umbenannt wurde. Wilhelm Gustloff war Leiter der NSDAP-Auslandsgruppe in der Schweiz und einige Tage zuvor in seiner Wohnung in Davos erschossen worden. Der jüdische Student David Frankfurter tat dies aus Protest gegen die Judenverfolgung und wollte auf diese Weise ein Zeichen des jüdischen Widerstands setzen. In einem Gerichtsprozess in der Schweiz wurde Frankfurter zu 18 Jahren Haft verurteilt. Am 31.7.1947 erfolgte die Rückbenennung des Platzes und der Dernburgstraße.
Dernburgstraße 9
Eine Gedenktafel am Haus erinnert an den Flugzeug- und Automobilkonstrukteur Edmund Rumpler. Er entwickelte u.a. den Tropfenwagen, ein unter aerodynamischen Gesichtspunkten entwickeltes Automobil. Am 23.9.1921 wurde der Wagen auf der Deutschen Automobilausstellung am Kaiserdamm vorgestellt. Edmund Rumpler war jüdischer Herkunft, weshalb er seine Arbeit während der Herrschaft der Nationalsozialisten aufgeben musste.
Dernburgstraße 15
Am 5. März 1860 wurde in Brandenburg an der Havel Julius Nathanson geboren. Er studierte Architektur und arbeitete zunächst in Breslau. Für seine Arbeit erhielt er 1909 den königlichen Roten Adler-Orden IV. Klasse verliehen. Für seine Geburtsstadt gestaltete er eine Synagoge. Diese wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938, in der viele jüdische Einrichtungen von den Nationalsozialisten beschädigt oder sogar in Brand gesteckt wurden, zerstört. Ab 1929 war Nathansohn im Architektenregister in Berlin registriert. Innerhalb der Stadt zog die Familie mehrfach um.
Seine Frau Gertrud Charlotte Buki wurde am 21.9.1870 in Breslau geboren. Das Paar lernte sich in Breslau kennen. Die Hochzeit des Ehepaars Nathansohn war am 17.9.1892. Insgesamt hatten sie vier Kinder. Zwei der Kinder hießen Susanne und Klara. Sie haben den Holocaust überlebt.
Julius Nathansohn und seine Frau Gertrud wurden am 19.8.1942 nach Theresienstadt deportiert. Von den 100 Menschen in dem Zug überlebten nur zwei. Julius Nathansohn starb mit 83 Jahren am 1.2.1943. Gertrud Nathansohn verstarb auf Grund der schlechten medizinischen Versorgung einige Monate nach ihrem Mann am 18.6.1943 mit 72 Jahren. In der Todesurkunde gab man „Herzlähmung“ als Ursache an.
Ein weiterer Stolperstein vor dem Haus erinnert an Agnes Sandheim geborene Loewenson. Sie kam am 17.1.1885 in Westpreußen zur Welt. Sie war mit Max Czollek verheiratet. Er war Kaufmann und starb bereits 1919. Ab 1936 wohnte Agnes mit ihrem zweiten Ehemann Isidor Heinrich Sandheim, einem Bankier, in dem Haus in der Dernburgstraße. Ihr zweiter Ehemann starb 1936. Agnes wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und in der Gaskammer ermordet.
Ebenfalls in dem Haus wohnten Ludwig Simon (1880-1962) und Martha Elkan (1900-1994). Sie lernten sich Anfang der 1920er Jahre im Allgäu während einer Urlaubsreise kennen. Das Paar heiratete und zog nach Berlin. Ihr Sohn Herbert Simon wurde 1926 in der Windscheidstraße 12 geboren. Die Familie zog später in die Dernburgstraße 46 (heute Nr. 15). Im März 1939 flüchtete die Familie von Hamburg aus mit dem Schiff „Imperial“ nach Chile, wo sie sich eine neue Existenz aufbaute. 1962 kehrten sie nach Deutschland zurück und ließ sich in Frankfurt am Main nieder.
Herbartstraße 26
In der Herbartstraße 26 befindet sich heute die Synagogengemeinde Sukkat Schalom. Die Gemeinde sieht sich in der Tradition der 1855 in der Johannisstraße in Berlin Mitte gegründeten Reformsynagoge. Diese wurde 1939 von den Nazis geschlossen und im 2. Weltkrieg zerstört. Zwei Häuser weiter befindet sich in Haus Nummer 26 das Hermann-Strauß-Pflegeheim der jüdischen Gemeinde Berlin. Heute ist es das einzige jüdische Pflegeheim in Berlin / Brandenburg. Beide Einrichtungen werden durchgängig von Polizei und Videokameras bewacht.
Herbartstraße 19/20
Die imposante Gebäudeanlage wurde 1925-1928 für die Oberpostdirektion Berlin errichtet, die mehr als 1.000 Beschäftigte hatte.
Am 8. Juni 1937 verfügte das Postministerium, dass Beamte nicht arischer Abstammung in den Ruhestand zu versetzen waren. Dies galt auch für Ehepartner, die keinen Ariernachweis erbringen konnten.
Neue Kantstraße 21
Leo Camnitzer (1866-1977) stammte aus Westpreußen und er war mit Henni Blumberg (1892-1972) verheiratet. Sie hatten zwei Kinder Ursula (1916-2013) und Peter (1924-1987). 1919 eröffnete Leo zusammen mit einem Geschäftspartner in Berlin einen Großhandel für Teppiche, Dekorations- und Möbelstoffe. Das Geschäft lief sehr gut und die Familie Camnitzer war sehr wohlhabend. Sie lebten in einer großen Wohnung am Lietzensee in der Neuen Kantstraße 21 im obersten Stockwerk. Das Haus wurde im Krieg zerstört und heute steht an dieser Stelle ein Wohnhochhaus.
1934 heiratete Ursula ihren ersten Ehemann Martin Blumenthal. 1935 kam ihr Sohn Hans Joachim Blumenthal zur Welt. 1937 ließ sich Ursula scheiden und 1938 heiratete sie ihren zweiten Ehemann Alexander Buckel in Belgien. Ihr Sohn Hans wuchs bei den Großeltern in Berlin auf.
Im März 1939 wurde die Firma von Leo Camnitzer „arisiert“. Er wurde enteignet und der Betrieb eingestellt. Die Familie bereitete die Flucht vor und verkaufte die Wohnung und den Mercedes an den Opernsänger Leo Slezak. Im April 1939 flüchtete sie nach Belgien. 1940 eroberte die Wehrmacht Belgien. Auf der Flucht wurde die Familie getrennt und sie verlor ihren gesamten Besitz. Das Umzugsgut, das man von Berlin aus in den Hamburger Hafen transportiert hatte, war von den Nazis für 6.515,99 Reichsmark versteigert worden. Familie Camnitzer fand erst 1942 in Brüssel wieder zusammen, wo sie sich bis zur Befreiung Belgiens auf einem Dachboden versteckte.
1947 wanderte Ursula mit ihrem zweiten Mann Alexander Buckel und ihrem Sohn Hans (jetzt John Buckel) in die USA aus. Ihre Eltern Leo und Henni folgten 1950. Peter blieb in Brüssel und gründete dort eine Familie.
Quellen:
- www.stolpersteine-berlin.de
- www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/
- www.stolpersteine-friedbergstrasse-berlin.de
- www.statistik-des-holocaust.de
- Verein zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden e.V. (Hg.): Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch. Textpunkt Verlag, 2019
- Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin Ausgabe 1931/1932. Goedega Verlags-Gesellschaft m.b.H.
- Berliner Adreßbuch 1931. Verlag August Scherl Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft mbH.
- Stadtplan von Berlin (Kartenblatt 4243) 1931
- Fotos: Hr. Neumann